Die alte Kunst des Politisierens wiederentdeckt – Kreismitgliederversammlung der SPD –Rems-Murr in Beutelsbach

Veröffentlicht am 18.02.2012 in Kreisverband

Die SPD im Rems-Murr-Kreis will rechtzeitig vor dem 150-jährigem Parteijubiläum im nächsten Jahr ihre Parteiorganisation „upgraden“. „Wir wollen“, so der Kreisvorsitzende Jürgen Hestler auf der Kreismitgliederversammlung in Beutelsbach, „die Tradition der SPD mit modernen Formen der Kommunikation verknüpfen“. Ein Element dieses Modernisierungskonzeptes sind kreisweite Mitgliederversammlungen, auf denen die vielbeschworene Basis das Sagen hat. Der erste Versuch im Stiftskelller in Beutelsbach war aus Sicht des Kreisvorsitzenden ein vielversprechender Auftakt. „Wir haben auf Stammtischniveau diskutiert, wir haben im traditionellen Sinne politisiert und das hat uns gutgetan“, so der SPD Kreisvorsitzende Jürgen Hestler. Im Mittelpunkt des Abends standen so genannte Stammtischparolen zu in der Bevölkerung und auch in der SPD strittigen Themen wie Hartz IV, Rente mit 67, Agenda 2010, Euro-Rettungsschirm, Kündigungsschutz, Gesundheitsreform oder Gemeinschaftsschulen.

Die alte Kunst des Politisierens wiederentdeckt –

An insgesamt acht Stammtischen wurde die alte „Kulturtechnik des Politisierens wiederentdeckt“. Es galten die Regeln eines echten Stammtisches, wie vormals in der Dorfwirtschaft. Man konnte kommen und gehen, wann man wollte, man konnte eine Runde ausgeben, man konnte das Gespräch voranbringen oder das Gesagte einfach wortlos kommentieren. Mit dabei waren immer Sachverständige aus den eigenen Reihen, vom Gesamtbetriebsratsvorsitzenden über den Krankenhausbetriebswirt und die Arbeitsvermittlerin bis hin zum Stabstellenleiter im Innenministerium.
„Wir haben ganz bewusst auf Referate und Politparolen verzichtet und stattdessen gängige Stammtischparolen hinterfragt und mit Leuten aus den eigenen Reihen, die täglich im Beruf oder im Ehrenamt mit der Problematik befasst sind, nach Antworten gesucht“, so Jürgen Hestler.
Herausgekommen sind so genannte „Basisappelle“, Anregungen, die von den entsprechenden Parteigremien in Politik umgesetzt werden sollen. Darunter wichtige Forderungen an die Parteiverantwortlichen wie Frieden mit der Agenda 2010 zu machen, dafür zu sorgen, dass man von ehrlicher Arbeit auch leben kann, die Wiedereinstellung älterer Arbeitnehmer zu erleichtern, Banken mehr in die Finanzierung von Rettungsschirmen einzubeziehen, nicht zuzulassen, dass Patienten von Ärzten aus finanziellen Gründen nicht behandelt werden, die Gefahren privater Datensammlungen aufzuzeigen ,an Alternativen zur Rente mit 67 plus Riesterzuschlag zu arbeiten oder die Idee der Gemeinschaftsschulen besser zu kommunizieren.
Mit diesen „Basisappellen“ müssen sich nun die SPD-Gremien im Kreis befassen. „Spätestens im Jubiläumsjahr 2013 werden wir dann im ganzen Kreis, gleichzeitig an verschiedenen Orten, in Facebookgruppen, Blogs und ausgesuchten Tatorten solche Stammtischdiskussionen anzetteln und so die alte Kunst des Politisierens in modernen Formen wiederbeleben“ so die durchaus ehrgeizige Ankündigung des SPD-Kreischefs.

Kreismitgliederversammlung am 20.1. 2012 im Stiftskeller in Beutelsbach
„Basisappelle“


Arbeitnehmerrechte kosten Arbeitsplätze!?

Sachverständiger: Rolf Lohrmann (Gesamtbetriebsratsvorsitzender bei Eriksson)

Schlechte Einstellungschancen für ältere Arbeitnehmer, die Zunahme von schlecht bezahlten Leiharbeitsverhältnissen, Arbeitsverdichtung, die Zunahme geringfügiger Beschäftigung und die ausufernde Praxis, Berufsanfänger nur mit Zeitverträgen auszustatten, machen starke Betriebsräte und starke Gewerkschaften notwendiger denn je.
Ob die Lockerung des Kündigungsschutzes für ältere Arbeitnehmer deren Einstellungschancen verbessern, bleibt offen. Aber nachdenken sollte man schon darüber. Schließlich haben wir die höchste Arbeitslosenquote bei den über 55-Jährigen. Wir können es uns nicht leisten, die berufliche Erfahrung älterer Arbeitnehmer/Innen brach liegen zu lassen. Es kann nicht sein, dass der Kündigungsschutz zu Altersdiskriminierung führt. Vielleicht sind länger Probezeiten für Ältere der richtige Weg.
Die SPD-Rems-Murr sollte bei diesem Thema einen Vorstoß machen.

Rente mit 67 ist eine verkappte Rentenkürzung!?
Sachverständige: Juso-Kreisverband

Wer in der SPD zu recht niedrigere Rentensätze und höhere Rentenbeiträge ablehnt und gleichzeitig die Rente mit 67 plus Riesterrente kritisch sieht, der sollte einen vierten Weg aufzeigen.
Ob eine höhere Beitragsbemessungsgrenze, flexibles Renteneintrittsalter, höhere Beiträge für Kinderlose oder die Kürzung von Zuschüssen für private Altersversorgung die Lösung bringen, bleibt fraglich.
Die SPD-Rems-Murr sollte die Problematik aufarbeiten, Fachwissen einholen und dann Farbe bekennen.

Hartz IV ist Armut von oben!?
Sachverständige: Tatjana Kraftmayer(Jobcenter Arbeitsagentur)

So pauschal kann man das nicht sagen. Wer als Alleinstehender auf Hartz IV angewiesen ist, führt ein hartes Leben, die Regelsätze für Bedarfsgemeinschaften reichen aus. Der Abstand zu den unteren Lohngruppen ist zu gering. Eine Riesensauerei ist aber die Tatsache, dass in Deutschland bei vielen Arbeitnehmern die Löhne nicht zum Leben reichen. Wer Tag für Tag zur Arbeit geht und trotzdem noch auf Hartz IV angewiesen ist, dessen Arbeit ist nicht gerecht bezahlt. Hier muss sich dringend was ändern.
Die SPD im Rems-Murr-Kreis sollte die Bundestagsfraktion auffordern, sich weiterhin vehement für ehrliche Mindestlöhne einsetzen und klar sagen, ob sie Hartz IV nun beibehalten, verändern oder abschaffen will.


Agenda 2010 – Anfang vom Ende der SPD!?

Sachverständiger: Christian Lange (MdB)

Agenda 2010 der rot-grünen Bundesregierung ist nicht nur Hartz IV. Agenda 2010 ist auch Ganztagesschulprogramm, Mittelstandprogramm (z.B.Erleichterung von Betriebsgründungen), Agentur für Arbeit, Jobcenter, besondere Ausbildungsangebote für unter 25-Jährige, Steuervergünstigung bei der Kinderbetreuung, Erhöhung der Bildungsausgaben um 25% und vieles mehr.
Agenda 2010 hat die Linken befeuert. Das ist wahr. Aber inzwischen sind sie in Bawue bei 0,6% gelandet.
Die SPD-Rems-Murr soll ihren Frieden machen mit der Agenda 2010.

Die Eurokrise bezahlen wieder mal die Kleinen!?
Sachverständige: Armin Dobler (StD), Theodora Tiftikoglou (Stadträtin)

Wenn man an Griechenland denkt, stimmt das. Bei uns nicht.
Damit das so bleibt, brauchen wir eine Finanztransaktionssteuer, eine Trennung der Investmentbanken von den Universalbanken, mehr staatliche Reglungen im Finanzsektor, die Einbeziehung der Banken bei der Finanzierung der Rettungsschirme und die Stabilisierung Griechenlands.

Wer Geld hat bekommt bessere Gesundheit und bessere Pflege!?
Sachverständige: Marlis Stängle (ASG), Heinz Franke (Verein Kinder- und Jugendpflege, Hospizstiftung), Francisco de la Fuente (Krankenhausbetriebswirt)

Das wäre eine Riesensauerei. Noch ist es nicht so. Aber es gibt Alarmzeichen. Die unterschiedliche Behandlung von Kassen – und Privatpatienten, die Konzentration von kostenintensiven Risikofällen bei der AOK und die Deckelung der Erstattungskosten zu Lasten der gesetzlich Versicherten gehören dazu. Hinzu kommt noch die Ausdünnung der ärztlichen Versorgung auf dem Lande, die problematischen Zugangsvoraussetzungen für das Medizinstudium und künftig auch für Pflegeberufe und die geringe Bezahlung für Pflegekräfte.
Die SPD-Rems-Murr bleibt -jenseits der Diskussion um Kopfpauschale und Bürgerversicherung- aufgefordert, sich darum zu kümmern, dass kein Patient mehr abgewiesen wird, nur weil zu Quartalsende kein Geld mehr im Gesundheitstopf mehr ist. Die SPD-Rems-Murr hält das für menschenunwürdig.


Je mehr Daten gespeichert werden, um so sicherer leben wir !?

Sachverständiger: Thomas Berger (StabstellenleiterPolizei im Innenministerium)

Datenschutz und informelle Selbstbestimmung wird meist nur als Problem zwischen dem Bürger und dem Staat gesehen.
Dass privat viel mehr Daten preisgegeben werden, gerät zunehmend aus dem Focus. Polizeiliche Ermittlungsarbeit braucht den Zugriff auf Daten. Bei Vorratsdatenspeicherung müssen private Provider die Telefondaten (nicht Inhalte) ein halbes Jahr speichern.
Die SPD-Rems-Murr soll mit Aktionen auf die Gefahr privater Datensammlungen aufmerksam machen.


Ich will nicht, dass mein Kind zusammen mit einem Hauptschüler unterrichtet wird
!?
Sachverständige: Dietmar Loser (Lehrer), Petra Fitting (Elternvertreterin)

Die Einführung der Gemeinschaftsschule und die Wiederzulassung von gymnasialen G9-Zügen sind zentrale Eckpunkte der neuen grün-roten Bildungspolitik.
Die SPD sollte den Grundgedanken und die Vorzüge der Gemeinschaftsschule besser kommunizieren und die Wiedereinführung von G 9 erleichtern.

Gesamtfazit:
8 Basisapelle an die SPD-Gremien
-Frieden mit Agenda 2010 machen,
-dafür sorgen, dass man von ehrlicher Arbeit auch leben kann,
-die Wiedereinstellung älterer Arbeitnehmer erleichtern,
-Banken mehr in die Finanzierung von Rettungsschirmen einbeziehen,
-nicht zulassen, dass Patienten von Ärzten aus finanziellen Gründen nicht behandelt werden,
-die Gefahren privater Datensammlungen aufzeigen
-an Alternativen zur Rente mit 67 plus Riesterzuschlag arbeiten
-die Idee der Gemeinschaftsschulen besser kommunizieren

Gez. Jürgen Hestler

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